Die Geschichte der Molkerei und ihrer Bewohner in Niederweis

von Otto Endres (Jahrgang 1935)

Untere Reihe, Mitte: Thomas Endres (1888-1915), im 1. Weltkrieg gefallen

Bereits früh hatte Niederweis eine eigene Molkerei. Sie wurde auf dem Grundstück zwischen der Hauptstraße und dem Nußbach errichtet, das damals der Stiftung gehörte. Die Lage direkt neben dem kleinen Wasserlauf war ideal, da in einer Molkerei viel Spülwasser benötigt wird. Das Gebäude bestand aus einem großen Hauptraum mit einer breiten Tür, zwei großen Fenstern und einem kleinen Nebenbau.

In der Molkerei wurde die Milch der Bauern aus der Umgebung angeliefert. Ein Teil der Milch wurde vor Ort weiterverarbeitet, während der Rest in größeren Kannen per Bahn nach Trier transportiert wurde. Dort holten Pferdegespanne die Kannen ab und verteilten die Milch in der Stadt. Auf alten Fotos ist ein Cousin meines Vaters, Thomas Endres, zu sehen, der aus dem Nachbarhaus der Molkerei stammte. Auch eine Schwester meines Vaters, Elise (*1886), arbeitete nach der Volksschule bereits als junges Mädchen in der Molkerei.

Später wurde in Irrel eine größere Molkerei gebaut, und die Niederweiser Molkerei musste schließen. Die Gemeinde nutzte das Gebäude anschließend als Wohnhaus und vermietete es. Die ersten Bewohner waren die Familie Dennenwaldt aus Oberweis. Herr Dennenwaldt, ein Schreinermeister, richtete sich im Nebenbau eine kleine Werkstatt ein, während seine Frau die Reinigung der Schule übernahm. In den 1950er Jahren baute die Familie ein eigenes Haus im Ixenfeld und zog dorthin.

Im Juni 1956 zog eine Flüchtlingsfamilie aus Ostdeutschland mit drei Kindern in die Wohnung ein. Das jüngste Kind war erst drei Monate alt. Die Mutter, Frieda (*1931), war als junges Mädchen aus Polen vertrieben worden. In Kletzke, einem Ort nahe der polnischen Grenze, lernte sie ihren Mann Jakob (*1923) kennen, der ebenfalls ein Flüchtling war. Er stammte aus Bessarabien am Schwarzen Meer. In seiner Geburtsurkunde ist „Friedenstal“ als Geburtsort verzeichnet – ein deutscher Name, der darauf hindeutet, dass seine Vorfahren aus Deutschland stammten. Über meine Recherchen im Internet fand ich heraus, dass Jakob zur Volksgruppe der Bessarabiendeutschen gehörte. Diese Nachfahren deutscher Siedler wanderten im 19. Jahrhundert aus Regionen wie Baden, Württemberg und dem Elsass nach Bessarabien aus, das damals zum Russischen Kaiserreich gehörte. Diese Siedlergruppe führte über Generationen ein bäuerlich geprägtes Leben und stellte zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa drei Prozent der Bevölkerung Bessarabiens. Im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts wurde Bessarabien 1940 von der Sowjetunion besetzt. Die Bessarabiendeutschen wurden anschließend zur Umsiedlung ins Deutsche Reich aufgerufen [1].

Die Familie fand 1956 in Niederweis ein neues Zuhause und integrierte sich gut in die Dorfgemeinschaft. Mit Hilfe der Gemeinde konnten sie 1964 das ehemalige Wehrmachtshaus am Waldrand erwerben, das ihnen und ihren vier Kindern ein dauerhaftes Heim bot. Jakob und Frieda sind inzwischen verstorben (*1923–1987 und *1931–2007) und auf dem Friedhof in Niederweis beigesetzt.

Das Gebäude der ehemaligen Molkerei blieb nicht ungenutzt. Im Jahr 1964 wurde es von Peter Bauler, einem Sohn aus dem Nachbarhaus „Burch“, gekauft. Er ließ das obere Stockwerk abreißen und baute auf dem verbliebenen Keller ein neues Wohnhaus, das noch heute dort steht.

Haus der Familie Bauler, welches auf dem Keller der damaligen Molkerei errichtet wurde

Quellen:

[1]: Bessarabiendeutsche (05.12.2024, Bessarabiendeutsche – Wikipedia)

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